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Der eidgenössische Stutzer von 1851

In der Schweiz wurde die persönliche Bewaffnung des Soldaten durch die lebhafte Anteilnahme beeinflusst, die sie bei der Obrigkeit und bei den Bürgern genoss. Es scheint mir von Nutzen zu sein, in einigen Zeilen an die Umstände zu erinnern welche die Schweiz, als sehr kleines Land, als erstes dazu geführt hatte, für die Elite der Armee, nämlich das Scharfschützenkorps, ein kleines Kaliber einzuführen. 

 

Die Erneuerung, die der französischen Besetzung (1798 1813) folgte, führte zu einer Militärreform, die auf einer nationalen und nicht mehr auf einer kantonalen Verteidigung gründete. Dem Tagsatzungsbeschluss von Zürich im Juli 1816 zufolge arbeitete eine Kommission, bestehend aus vier Mitgliedern, ein allgemeines Militärreglement für die Schweizerische Eidgenossenschaft aus, das am 20. August 1817 angenommen wurde. Dieser Text sah in seinem 62. Kapitel vor: 

»Die Bewaffnung der Scharfschützen besteht in einer schweren Kugelbüchse mit gewundenem Zug und einem wo möglich zum Aufpflanzen eingerichteten Weidmesser.« Dennoch bildete sich die eidgenössische Armee aus den Kontingenten der Kantone, welche die Oberhoheit über die ganze Bewaffnung und Ausrüstung besaßen. Die von der Tagsatzung ernannte militärische Kom­mission, die eine Art Kriegsministerium bildete, übte dabei eine nur entfernte Kontrolle aus.

 

Doch gab man sich bald Rechenschaft über die Notwendigkeit, grössere Einheit in den Entscheidungen zur Landesverteidigung zu erzielen. Die Verfügungen des eidgenössischen Vertrags vom Dezember 1832 bestärkten die Zentralisierung, und einer der Bun­desräte wurde Vorsteher des Militärdepartements. Die Bundesarmee wurde noch immer aus den kantonalen Kontingenten gebildet, doch ihre Ausbildung und Organisation gehörte zu den Aufgaben der Zentralgewalt. Diese Organisation wurde lebhaft begrüßt, und die eidgenössische Armee wuchs zu einem wirksamen Instrument des Grenzschutzes im Jahr 1848 heran. lm März erhoben sich die Provinzen der Lombardei und Venetiens gegen Österreich, was die Schweiz zwang, ihre Grenzen im Süden zu schützen. 1549 forderten die Unruhen in Deutschland dieselben Maßnahmen im Norden.

Die Scharfschützen in der Schweiz

Die militärische Organisation der Scharfschützenkompanien,  die das charakteristische  Korps  der  Schweizer  Armee  im 19. Jahrhundert bildeten, gebt auf das Jahr 1751 zurück. Capitaine Jean-Louis de Bonstetten unternahm damals den Versuch, eine Kompanie aus »freiwilligen Schützen« im Regiment von Aigle zu bilden. Sie setzte sich aus guten, unverheirateten Schützen zusammen. Diese in ihrer Haltung und Gewandtheit vorbildliche Truppe veranlasste Hauptmann Salomon Landolt von Zürich, in seinem Kanton eine Kompanie »Jäger-Scharfschützen« zu schaffen. Im ganzen Land sprach man von deren Beweglichkeit, von der Genauigkeit ihrer Bewegungen und vor allem von ihrer Treffsicherheit. Im Augenblick der französischen Invasion von 1798 zählten die Kantone eine oder mehrere Kompanien Scharfschützen1

 

Als in der Schweiz im Jahr 1842 die Bewaffnung der Infanterie, der Artillerie und der Kavallerie nach den französischen Modellen von 1840 bestimmt werden sollte, gab es für die Waffe der Scharfschützen keine genaue Ordonnanz. Das Reglement empfahl die hauptsächlichsten Abmessungen:

 

Gesamtlänge: 1260 mm
Lauflänge: 900 mm
Gewicht: 5 bis 6 kg
Kaliber: Kaliber zu 23 Kugeln auf das Pfund, mit einem Spielraum von zwei Kugeln mehr oder weniger
Lauf: Lauf mit einem Zugdrall von ¾ bis 1 Umdrehung auf seine Länge2


        
 

 

 

 

 

 

 

Die Scharfschützengewehre im Ausland, 1840-1850

Frankreich nahm für die vom Herzog von Orléans begründeten Jäger-Bataillone zu Fuß, und später für die Zouaven, die Dombüchse des Oberstleutnants Thouvenin, Modell 1846, im Kaliber 17,8 mm an. England hatte sein Modell 1842 vom Kaliber 19,25 mm in Gebrauch. Preußen gab den Jägern und Gardefüsilieren das Dreyse-Gewehr, Modell 1849, im Kaliber 15,43 mm das gegenüber dem Armeegewehr von 1841 einige Verbesserungen im Detail aufzuweisen hatte.

 

Belgien wählte im Jahr 1848 die Dornbüchse, System Thouvenin, im Kaliber 17,5 mm für seine Jäger-Scharfschützen aus. Das Modell wurde kurz darauf den Jäger-Aufklärern der Zivilgarde und den guten Schützen in den Landungskompanien  der  Marine  übergeben3

 

In den Vereinigten Staaten verwendete man Gewehre des Kalibers .52 (13,20 mm) und .54 (13,71 mm), zusammen mit dem Harpers Ferry-Karabiner im Kaliber .52, der im Verlauf des Bürgerkriegs auf das Kaliber .58 umgeändert wurde.

 

Es sei nochmals auf die einzige vorschriftsmäßige Ordonnanzwaffe mit Perkussionszündung für Scharfschützen hingewiesen, die in einem Schweizer Kanton, in den bernischen Kompanien, eingeführt war, entwickelt von Karl-Ferdinand Fischer im Jahr 1829, damals bereits mit einem Kaliber von 14,8 mm und mit einem Gewicht von 6190 g (ohne Tragriemen und Bajonett).

Der Einfluss der Ereignisse in Europe von 1848-1850

Dieser schwierige Zeitraum ließ die Nützlichkeit einer Kräftekonzentration erkennen. Sie war notwendig, um die Landesverteidigung sicherzustellen. 

 

Die Organisation der Armee, bisher von den kantonalen Kontingenten gebildet, die betreffs der militärischen Verpflichtungen sehr unabhängig waren, wurde Sache des Bundesrats, der sich zuallererst mit einer einheitlichen und wirksamen Bewaffnung der Scharfschützentruppen befasste. 

 

Mehrere wichtige Texte legen Zeugnis ab für die neuen Zielsetzungen, unter anderen das Bundesgesetz zur Militärorganisation der Eidgenossenschaft vom 8. Mai 1850, ergänzt durch das Gesetz vom 2. Dezember 1850 über die Bewaffnung und Ausrüstung der Scharfschützen. 

 

Die Zentralgewalt beschäftigte sich schon seit einer gewissen Zeit mit den Einzelheiten einer Neubewaffnung mit Handfeuerwaffen. Im Bericht des schweizerischen Bundesrats an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahr 1849 ist zu lesen:

 

»Das vom eidgenössischen Kriegsrat unterm 16. Oktober 1848 aufgestellte Stut­zermodell befriedigte noch nicht vollkommen. Im Laufe des Jahres langten von verschiedenen Seiten, selbst von Privaten, andere Modelle ein, die teils im Kaliber, teils in der Konstruktion einzelner Teile vom eidgenössischen Modell abweichen. Auch fanden während der Grenzbewachung am Rhein Versuche mit Stutzern verschiedener Art statt, und endlich wurde eine Versammlung von Scharfschützenoffizieren zur Behandlung der Stutzerfrage nach Hütten ausgeschrieben. Um nichts zu unterlassen was zur Vervollkommnung dieser unserer vaterländischen Waffe erspriesslich sein kann, wurde daher nochmals eine Kommission von Sachverständigen zur Prüfung der verschiedenen Systeme und Aufstellungen eines endlichen Modells ernannt.  Die Kommission  begann ihre Arbeiten mit Anfang Novembers, musste sie jedoch der rauen Witterung wegen bald aussetzen. Die Erledi­g  g dieser Frage fällt daher in den nächsten Rechenschaftsbericht. «4

 

Eidgenössischer Stutzer, Modell ,851; klar erkenntlich: der Ladestock mit Anschlag, der hül­senförmige Bajonetthalter, Laufpfropfen.

 

Tatsächlich kam der Geschäftsbericht des Bundesrats von 1550 im einzelnen auf diesen Gegenstand zurück. Die Expertenkommission nahm ihre Arbeit am 13. März 1850 wieder auf; ihr Schlussbericht wurde am 1. Juli jenen Kantonen, welche Scharfschützen stellten, übermittelt:

» mit der Anzeige, dass der Bundesrat am 12. Juni das von der Kommission vorgeschlagene Modell als eidgenössische Ordonnanz genehmigt habe.«

 

Die Obrigkeit war mit der vorgeschlagenen Waffe zufrieden: »sie verbindet sowohl in Hinsicht auf Tragweite als Trefffähigkeit und Perkussionskraft Vorzüge, die keiner andern Waffe dieser Gattung eigen sind.«

Die Schwierigkeiten bei der Beförderung von Kriegsmaterial waren in dieser Zeit sehr gross, sodass der Bundesrat in seinem Bericht zum Jahr 1850 am 31. Mai 1851 vermerkte:

»Die Modellstutzer selbst konnten leider den betreffenden hohen Ständen noch nicht zugesandt werden, weil es erst nach längern diplomatischen Unterhandlungen möglich war, die Gestattung des Durchpasses der erforderlichen Bestandteile aus der Fabrik in Lüttich durch die betreffenden Staaten auszuwirken.«

 

Der Geschäftsbericht des Bundesrats von 1851 konnte endlich, es waren neue Prüfungen infolge von Beobachtungen aus der Ostschweiz nötig geworden, auf die endgültige Entscheidung hinweisen:

»Auf den 9. April 1851 wurden die Mitglieder der Kommission für Aufstellung des Stutzermodells zur Schlussberatung einberufen.« 

 

Am 13. Mai konnte der Bundesrat kraft seiner Vollmacht, die er am 21. Dezember 1850 von der Bundesversammlung erhalten hatte, öffentlich die Ordonnanz zur Bewaffnung und Ausrüstung der Scharfschützen bekannt geben. In einem Sendschreiben vom 20. Mai kündigte das Militärdepartement den Regierungen der jeweiligen Kantone an, dass »ihnen der Verwalter des eidgenössischen Kriegsmaterials nunmehr ein Modell eines Stutzers nach neuer eidgenössischer Ordonnanz zusenden werde.«6 

 

Die Schweiz versah zum ersten Mal ihre Armee mit einer in allen Kantonen identischen Waffe.

 

Eidgenössischer Stutzer 1851

Die Hauptmerkmale:

Gesamtlänge: 1262 mm
Gewicht: mit Bajonett und Riemen: 5425 g
Lauflänge: 840 mm
Kaliber: 10,5 mm
Visier: Quadrantenvisier, Abstufungen von 100 Schritt auf der linken Backe, von 200 bis 1000 Schritte
Züge: Acht - Gleiche Breite von Zügen und Feldern - Tiefe 0,225 mm - eine Umdrehung auf 900 mm
Schloss: Gewöhnlich, mit Doppelzüngelstecher
Lauf: Am Schaft befestigt mit zwei Splinten
Bronnzierung des Laufs:

 

Schokoladebraun

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Eidgenössischer Stutzer 1851

 

 

 

Bajonett:

Klingenlänge:  485 mm
Befestigung: Mit Gleitfeder in einer an der rechten, vorderen Seite des Laufs angelöteten Lagerung
Seitenfläche: Konkav, Rücken mit Grat verstärkt


Stichbajonett, das in einer an den Lauf gelöteten Hülsenlagerung befestigt wird

Ladestock:

Der Setzer ist mit einer Ausnehmung in Form des Geschosskopfs versehen. Ein Anschlag begrenzt die Eindringtiefe in den Lauf, damit das Pulver nicht zerdrückt wird.

 

Zubehör das der Scharfschütze mit sich führte:  

 

- Kugelgießform.

- Löffel zum Bleigießen.

- Schraubenzieher mit Zündstollenschlüssel.

- Kugelzieher.

- Auszieher für das Verdämmungsmaterial.

- Wischkolben.

- Laufverschliesspfropfen.

- Räumnadel mit Kettchen.

- zwei Pistons.

- Wechselkorn.

- Locheisen, Tuch und Fett zur Herstellung der Schuss-Pflaster.

 

 

Patrone:

Die Kartusche enthielt bloss die Pulverladung von 4 g. Das Geschoss, umwickelt mit einer gefetteten Hülle, wurde getrennt mitgeführt: Es war ein Kompressionsgeschoss von 17 g. Die Gefechtszuteilung betrug 60 Kartuschen, 60 Kugeln und 78 Zündhütchen.

Mündungsgeschwindigkeit: 440 m/s.

 

 

Kugelgiesszange

 

 

 

Die Modifikationen von 1854

1864 schlug das eidgenössische Militärdepartement einige kleine Verbesserungen für die Waffe von 1851 vor. Diese berührten die allgemeine Linie nicht und wurden durch Bundesratsbeschluss vom 10. Dezember 1864 angenommen. Diese Modifikationen stellen sich wie folgt dar.

 

 
Züge: Vier anstelle von acht -Dralllänge 750 mm
Visier: Gleiche Einteilung doch in der Aufmachung des Infanteriegewehrs von 1863
Schloss: Schloss des Gewehrs 1863, mit neuen Zündstollen, der die Verwendung grösserer Zündhütchen zuliess
Bajonett: Yatagan-Klinge von 525 mm Länge

       
 

 

Die beiden Stutzermodelle 1851 und 1863 wurden 1867 für die Hinterladung nach dem Klappverschluss-System (à tabatière) von Milbank Amsler transformiert, blieben bis zur Annahme des Vetterli-Stutzers im Jahr 1871 in Dienst.

 

 

 

 

Luzerner Scharfschütze . In dieser Epoche liess sich der Soldat voll Stolz mit seiner Waffe porträtieren.

 Jules Bonnet, Luzern

 

 

 1 Major de La Vallière: Histoires des carnbiniers. In: Revue militure suisse, 1945, S. 28 ff.
 2 Rudolf Schmidt: Allgemeine Waffenkunde für Infanterie, Bern 1888, S.54
 3 L. Lecomte: Les Premiers fusils de notre infanterie. In: Revue belge d'histoire militaire, September 1965, Nr.2, 16. Serie, S. 105.
 4  Bericht des schweizerischen Bundesrates an die hohe Bundesversammlung über seine Geschäftsführung vom 21. November 1848 bis 31. Dezember 1849, S. 46/47, (Separatdruck)
 5  Bericht des schweizerischen Bundesrats an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung während des Jahrs 1850, in: Bundesblatt der Schweierischen Eidgenossenschaft 1851, II, S. 154.
 6

 Bericht des schweizerischen Bundesrates an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung während des Jahrs 1851, in: Bundesblatt 1852, I.

7 Rudolf Schmidt: Allgemeine Wattenkunde für Infanterie, S. 55.

 

 

  Bericht zusammengestellt von Rudolf Schär, Uerkheim          
 

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